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Warum wir nicht schlafen – und was das mit der Gesellschaft zu tun hat

Warum wir nicht schlafen – und was das mit der Gesellschaft zu tun hat

Ein Blick in Tamar Noorts Roman „Der Schlaf der Anderen“

Schlaflos trotz Erschöpfung – ein Zustand, den viele kennen. Doch was, wenn Schlafmangel nicht nur ein persönliches Problem ist, sondern ein strukturelles? Die Autorin Tamar Noort widmet sich in ihrem zweiten Roman „Der Schlaf der Anderen“ genau dieser Frage – und zeigt, warum besonders Frauen davon betroffen sind.

Wenn die Nacht keine Ruhe bringt

In „Der Schlaf der Anderen“ treffen zwei Frauen aufeinander, die auf sehr unterschiedliche Weise mit ihrer Schlaflosigkeit kämpfen:

  • Sina, Mutter, Ehefrau und Kunstlehrerin, ist in einem Leben gefangen, das ihr nicht mehr gehört. Sie fühlt sich fremdbestimmt, ständig erschöpft – und dennoch findet sie keine Ruhe.

  • Janis, ehemals Pflegerin, hat sich in ein nächtliches Leben zurückgezogen. Sie arbeitet in einem Schlaflabor, beobachtet dort andere Menschen beim Schlafen – und findet selbst nur in völliger Isolation ein wenig Schlaf.

Die beiden begegnen sich im Schlaflabor, wo sich eine fragile Freundschaft entwickelt – voller Nähe, Misstrauen, Hoffnung und leiser Rebellion.

Schlaflosigkeit ist (auch) politisch

Was wie eine persönliche Krise beginnt, entpuppt sich im Verlauf des Romans als gesellschaftliches Phänomen. Tamar Noort beschreibt eindrucksvoll, wie Rollenbilder, Arbeit, Fürsorge und Erwartungen unser Verhältnis zum Schlaf beeinflussen. Frauen sind laut Studien häufiger schlaflos – und dennoch werden sie medizinisch seltener ernst genommen. Statt Ursachenforschung gibt es häufig nur schnelle Medikamente.

„Wie wir schlafen, sagt viel darüber aus, wie wir leben.“

Noort weiß, wovon sie spricht: Sie selbst hat in einem Schlaflabor gearbeitet und Schlaflosigkeit lange als rein individuelles Problem empfunden – bis sie den gesellschaftlichen Zusammenhang erkannte.

Ein Roman über Räume – innere wie äußere

Das Motiv der fehlenden Räume zieht sich durch den gesamten Roman: Janis verliert den Raum ihres alten Lebens, Sina fühlt sich in ihren Räumen eingeengt. Erst durch ihre Begegnung entsteht ein Ort, an dem Veränderung möglich scheint.

Auch der Schreibort der Autorin spielt eine Rolle: In einem Haus mit Garten bei Lüneburg hat sich Noort „mehr Himmel“ geschaffen – Raum für Gedanken und Geschichten.

Ein stilles, feministisches Buch

Tamar Noort schreibt unaufgeregt und präzise. Sie wechselt gekonnt die Perspektiven, schafft Nähe zu ihren Figuren, lässt Sympathien kippen – und zeigt, wie komplex das weibliche Leben in modernen Strukturen ist. Männer spielen in ihrem Roman keine Hauptrollen – und das mit Absicht. Nicht aus Abneigung, sondern um den Frauen endlich Raum zu geben.

„Es geht um Frauen, die in Strukturen festhängen, die von Männern befeuert oder zumindest aufrechterhalten werden.“

Fazit: Ein Buch, das wachrüttelt – im besten Sinne

„Der Schlaf der Anderen“ ist ein Buch über Schlaflosigkeit, Rollenbilder und das Bedürfnis nach Selbstbestimmung. Ein stilles, kluges, feministisches Werk, das zeigt: Schlaf ist nicht nur ein biologisches Bedürfnis – sondern ein Spiegel unserer Gesellschaft.